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by Ilka Tempel

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      KONTAKT

      by Ilka Tempel

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          KONTAKT
          • LISA MARIA KAGER vom HOF DES WANDELS

            Auf 1,2 Hektar betreibt Familie Kager in St. Pauls/Eppan an der Weinstrasse in Südtirol auf dem Hof des Wandels einen nachhaltigen Landwirtschaftsbetrieb. Auf ihren Flächen gibt es keine Pestizide, keine Herbizide, keine synthetischen Dünger. Die Kagers haben ihren Boden nach dem Prinzip der Permakultur und der regenerativen Landwirtschaft ausgerichtet und widmen sich dem ständigen Humusaufbau und der Regeneration der Ökosysteme. Vor fünf Jahren haben sie von Apfelanbau in klassischer Monokultur auf Mischkultur mit Gemüse und Kräutern umgestellt und lassen im submediterranen Klima eine bunte Vielfalt gedeihen. 

             

            Lisa, ihre Eltern Martina und Hanspeter, sowie Lisas Lebenspartner Jakob arbeiten hier Hand in Hand. Jeder hat seinen Bereich, in dem er sich selbst entfalten und seine Stärken einsetzen kann, neue Ideen entwickelt und den Kreislauf des Hofes in Gang hält.

             

            Das Grundkonzept auf dem Hof ist die Dreifaltigkeit von Körper, Geist und Seele.

            Um den Körper kümmert sich Jakob, der das Gemüse produziert und einen Cateringservice führt. Den Geist beglückt Hanspeter mit Hydrolaten und ätherischen Ölen, die er aus Kräutern herstellt. Die Seele des Hofes sind Martina und Lisa und ihr Sohn Kiran. Gemeinsam kümmern sich die Frauen um den Hofladen und geben Yogastunden. Für die Gemüsekisten-Abonnements, Marketing und Vertrieb ist Lisa zuständig. Ihr Wissen geben alle Vier in Workshops und Führungen an Interessierte weiter. 

             

            Die Philosophie hinter allem: Ein gesunder Boden. „Wenn wir wollen, dass auch noch unsere Enkel sich von dieser Erde ernähren können, müssen wir jetzt anfangen zu handeln,“ erzählt mir Lisa. Die Familie will inspirieren und zum Wandel anregen und zeigen, dass ein Umdenken funktioniert und man erfolgreich damit sein kann. Sie wollen zeigen, dass ökologisch arbeiten nicht bedeutet, ökonomische Einbusen zu haben. Im Gegenteil, es kann ertragreich und gut für die Natur sein.

             

            Ich habe den Hof besucht und mit Lisa Maria Kager über regenerative Landwirtschaft, Vermarktungswege und die Kommunikation zwischen Verbraucher und Produzenten gesprochen.

          • „Regenerative Landwirtschaft bedeutet Wertschätzung

            zu steigern und Abhängigkeiten zu minimieren"

          • Hallo Lisa, erzähl mir doch kurz, was ihr hier auf dem Hof des Wandels überhaupt macht und wie alles entstanden ist.
            Wir haben hier den klassische Apfelhof, den mein Opa vor vielen Jahren gekauft hatte, ab 2016 zu einer Mischkultur umstrukturiert. Auf etwas mehr als einem Hektar produzieren mein Freund Jakob und ich Gemüse und Obst und mein Vater buntgemischte Kräuter nach den Prinzipien von regenerativer Landwirtschaft und Permakultur. Außerdem veranstalten wir Seminare und Workshops und wollen vor allem als Vorbild für eine zukunftsfähige Landwirtschaft dienen.
            Und wie bist du dazu gekommen? Du hattest ja zunächst eine Karriere im Journalismus eingeschlagen.
            Ja, ich habe in München Romanistik studiert und darin meinen Bachelor gemacht. Den Master habe ich aber abgebrochen, da mir das alles zu theoretisch war und ich lieber schreiben wollte und aktiv etwas bewegen wollte. Ich habe dann als freie Texterin und Fernsehmoderatorin gearbeitet. Ich habe in dieser Zeit viele Menschen in der Landwirtschaft kennengelernt und mein Interesse an der Permakultur entdeckt. Dann ist mir Jakob über den Weg gelaufen und auch er brannte für das Thema. Er ist Koch und wollte, genau wie ich, ressourcenschonend, produktiv und regenerativ Nahrung von höchster Qualität anbauen. Zur gleichen Zeit wollte auch mein Vater seine Apfelplantage umstrukturieren. Getrieben von einem ziemlich großen Idealismus haben wir alle gemeinsam Pläne geschmiedet und unsere Träume mit viel harter Arbeit Stück für Stück realisiert.
          • Wie vermarktet ihr euer Gemüse?
            Wir vertreiben alles in Direktvermarktung. Wir haben seit letztem Jahr einen eigenen Hofladen, diese Saison 53 Abonnenten für wöchentliche Gemüsekisten und dann noch einige Kunden in der Gastronomie. Ich finde es immer wieder sehr beeindruckend, was wir aus unserer kleinen Fläche alles rausholen können. Wir haben circa 1000 Quadratmeter Gemüse-Anbaufläche und können damit den Bedarf an wöchentlichem Gemüse von 53 Familien decken, dazu noch die Gastronomie beliefern, den Hofladen bedienen und auch noch unsere fünfköpfige Familie mit Gemüse versorgen. Unsere Flächen liegen nie brach, sobald wir etwas geerntet haben, setzen wir sofort etwas neues in den Boden. So nutzen wir die Beete drei bis viermal im Jahr.
             
            Alles was wir hier im Hofladen in den Regalen haben, das wurde von uns vom Samen auf großgezogen, geerntet, verarbeitet, abgefüllt und etikettiert. Der Hofladen ist Dienstags und Freitags geöffnet, an diesen Tagen können unsere Abonnenten auch ihre Gemüsekisten abholen. Ich freue mich auf diese Tage, denn dann kann ich mit unseren Kunden in den Dialog gehen, Fragen beantworten und Feedback entgegennehmen. Wir wollen wissen, was wir unseren Kunden verkaufen und sie vollkommen durchsichtig darüber beraten. Deshalb ist jeder Arbeitsschritt auf unserem Hof reine Handarbeit und gibt unseren Produkten am Ende einen einzigartigen Wert.

            „Ich finde es immer wieder sehr beeindruckend, 

            was wir  aus unserer kleinen Fläche alles rausholen können.“

            Was gibt es noch so alles in eurem Angebot?
            Wir konservieren unsere Ernte in vielerlei Art und Weise und zaubern immer wieder neue Kreationen. Unter anderem gibt es im Hofladen eingelegtes Gemüse, Marmeladen, Sirupe, Säfte, getrocknete Kräuter,Tees und Trockenfrüchte.
             
            Es gibt natürlich die verschiedensten Hydrolate und aus den Blumen und Kräutern in unserem Garten binden wir Blumensträusse.
             
            Bei uns kannst du an Yogastunden teilnehmen und in Kursen lernen, wie man Destillate oder Seifen herstellt oder eben einen eigenen Market Garden anlegt.
            Was sind die größten Herausforderungen?
            Es gibt in der Landwirtschaft natürlich immer viele Herausforderungen. In den Anfängen war die größte Herausforderung, einen gemeinsamen Nenner von vier Parteien zu finden, und diese auch noch aus unterschiedlichen Generationen. Jeder hatte seine Vorstellungen und am Anfang hat es viel Streit gegeben, aber wir haben immer wieder miteinander geredet und uns gegenseitig zugehört. Das hat sehr geholfen, denn wir haben jetzt ein Level gefunden, bei dem jeder sein Ding macht, aber wir trotzdem an einem Strang ziehen. Das haben wir vor allem meinen Eltern zu verdanken, die super offen durchs Leben ziehen.
             
            Wir wurden von anderen Landwirten oft belächelt und wenige konnten sich vorstellen, dass wir auf einer so kleinen Fläche genug zum Leben verdienen können. Das hat uns aber alle nur noch mehr motiviert: wir wollen anderen zeigen, dass es wirklich funktioniert. Dieses Jahr sind wir erst in unserer zweiten Saison und sind schon ziemlich erfolgreich - das motiviert.
             
            Jakob macht im Moment im Market Garden alles alleine. Gerade dieses Jahr sind durch den vielen Regen einige Probleme und Krankheiten beim Gemüse aufgetreten und wir mussten herausfinden, wie wir damit umgehen. Die Recherche hierfür kostet viel Zeit und Energie und die hat man nach einem langen Arbeitstag im Garten oftmals nicht. Aber es nützt nichts, du musst den Kopf dafür wachhalten, sonst hast du verloren. Wenn du siehst, dass plötzlich alle Gurken wegen irgendeiner Fäule vergammeln, dann musst du schauen, was du tun kannst. Die Natur treibt einen da schon an und motiviert.
          • Was rätst du jemandem, der auch in den Gemüseanbau starten will?
            Allen Quereinsteigern lege ich ans Herz, dass sie erst einmal auf einen Hof gehen, sich alles genau anschauen und auch mitarbeiten. Es ist wichtig auszuprobieren und zu testen, ob die Arbeit wirklich etwas für einen ist oder ob es sich nur in der Theorie gut anhört. Viele stellen sich etwas anderes unter dem Bild der Landwirtschaft vor und unterschätzen den Arbeitsaufwand, der in Wirklichkeit dahinter steckt. Auf einem Hof muss sehr vieles parallel gemanagt werden. Landwirtschaft ist nicht nur harte körperliche Arbeit, sondern auch harte Kopfarbeit, dazu muss man bereit sein. Man muss ganz viel nachdenken und verstehen, wenn man sie ordentlich betreiben will. Man muss darauf eingestellt sein, Fehler zu machen, hinzufallen und dann aber auch daraus zu lernen und zu wachsen.
             
            Landwirte, die ihren Hof umstellen wollen, sollten den Generationenkonflikt nicht unterschätzen. Veränderung ist nicht einfach und alle Parteien sollten sich genauestens mit den Wünschen und Vorstellungen der anderen auseinandersetzen, so dass falsche Erwartungen gar nicht erst entstehen; auch das gehört zu einem holistisch geführten Hof, zur Permakultur. Man sollte von vorn herein definieren, was man erreichen möchte und wo es hingehen soll. Hier hilft nur die aktive Kommunikation und gutes Zuhören. Es ist sinnvoll, nach und nach umzustellen, damit nicht auf einmal das gesamte Einkommen wegfällt, bevor das neue Geschäft läuft.

            „Man muss darauf eingestellt sein, Fehler zu machen, 

            hinzufallen und dann aber auch daraus zu lernen und zu wachsen.“

            All euer Gemüse und Obst ist komplett unbehandelt, trotzdem seid ihr nicht bio-zertifiziert, wie kommt das?
            Wir haben uns bewusst gegen eine Bio-Zertifizierung entschieden. Ich persönlich finde, dass das System ‚Bio’ sehr schwierig und undurchsichtig ist. Es ist ein Markenname, das dem Verbraucher ein gutes Gefühl gibt, was aber genau dahintersteckt weiss kaum jemand, beziehungsweise es macht sich keiner die Mühe, sich mit der Thematik zu beschäftigen. Es ist ein guter Ansatz und ich schätze meine Bio-Kollegen sehr, aber mir gehen viele Richtlinien nicht weit genug. Eine Zertifizierung für unbehandeltes Gemüse gibt es nicht. Da wir Direktvermarktung betreiben, ist uns das Label nicht so wichtig, wir kommen ja mit unseren Kunden direkt in Kontakt und sie können hier sehen, wie es produziert wird. Wenn die Leute etwas wissen wollen, dann können sie ja direkt fragen. Das ist besser, als blind auf einen Sticker auf der Verpackung zu vertrauen.
            Ist Direktvermarktung der einzig sinnvolle Weg, um erfolgreich zu sein?
            Ich denke es geht auf anderen Wegen auch, aber unser Modell hier zielt schon auf die Direktvermarktung ab. Bei uns steckt so viel Herzblut drin, ich könnte es gar nicht an irgendeinen größeren Gemüsehändler geben und wüsste dann nicht, wo es landet. Es ist mir sehr wichtig, dass ich mit den Kunden sprechen kann und sie verstehen, wie wir produzieren und dass sie mit ihrem Kauf die nachhaltige Landwirtschaft unterstützen.
          • Sind denn alle Kunden so interessiert und wissbegierig?
            Leider nicht. Ich denke es ist ein generelles Problem, dass Verbraucher und Landwirt viel zu wenig miteinander sprechen. Dadurch entstehen Missverständnisse und oft ein falsches Bild der Gegenseite. Die Verbraucher sind einfach zu sehr an das das Supermarkt-Prinzip gewöhnt: Rein, nehmen, raus. Ich merke es im Hofladen, die Leute sind lieber still anstatt mir Kritik zu geben und kommen dann eben ein zweites Mal nicht wieder, weil ihnen irgendetwas nicht geschmeckt hat. Das ist schade, denn wenn sie mich ansprechen würden, könnte ich ja aufklären. Der direkte Austausch zwischen Produzenten und Verbrauchern fördert das gegenseitige Verständnis und die Wertschätzung. Es wird ja durch die Direktvermarktung eine Beziehung aufgebaut und die Kunden kommen wieder, weil sie wissen wo das Gemüse herkommt und wer dahinter steht. Du verkaufst dich und deine Geschichte, was dann zusammen mit der Qualität deiner Produkte das Gesamtpaket liefert.

            „Der direkte Austausch zwischen Produzenten und Verbrauchern fördert das gegenseitige Verständnis und die Wertschätzung.“

            Kann ich durch gutes Marketing auch höheren Preis für meine Produkte erzielen?
            Durch eine gute Verpackung und gute Werbung kann man schon etwas bewirken, aber du brauchst immer noch ein gutes Produkt. Ich selbst wollte für unseren Hof ein gutes Branding aufbauen. Es war mir sehr wichtig, eine schöne, klare Linie zu haben. Für unser Logo, unsere Webseite aber natürlich auch für unsere Verpackungen und unseren Auftritt in den sozialen Medien. Aber es gibt auch viele, die ein ganz tolles Produkt vom Inhalt her haben, aber die Verpackung macht einfach nichts her. Ich muss mir überlegen, wer meine Zielgruppe ist. Es gibt viele Menschen, die bereit sind für schönes Design mehr zu zahlen und für die letztendlich die Verpackung der ausschlaggebende Faktor für den Kauf ist. Man sollte also schon daran arbeiten, sich selbst und seine Produkte gut zu vermarkten. Außerdem hebt man sich dadurch natürlich von der Konkurrenz ab.
             
            Marketing, gerade in der Direktvermarktung, ist auch in der Landwirtschaft ein wichtiger Teil. Es ist besonders am Anfang notwendig, um die Erfolgskurve schneller steil ansteigen zu lassen. Bei reiner Mund-zu-Mund Werbung ist die Kurve eher flach und es dauert länger, bis es wirkt. Die gesunde Mischung macht es, finde ich.
            Was fasziniert dich an der Arbeit mit der Natur?
            Die Natur ist unheimlich spannend, gerade weil sie so komplex ist. Wenn man die Zusammenhänge erst einmal verstanden hat, dann eröffnet sich einem eine ganz neue Welt! Jedes Lebewesen, jede Pflanze, einfach alles hat seine Aufgabe, die den Kreislauf am Leben hält und dazu beiträgt, das Gleichgewicht zu bewahren.
             
            In der Art wie wir hier unseren Hof betreiben, musst du viele Probleme bewältigen und neue Lösungen finden. In der konventionellen Landwirtschaft gibt es für fast jedes Problem ein Mittel – was nicht heißen soll, dass der Einsatz dieser immer so viel einfacher ist, schnell kann man sich da auch mal eine ganze Ernte versauen! Bei uns gibt es den einfachen Weg der ‚Mittel’ nicht. Du musst tiefer gehen, den Boden verstehen, verstehen welche Mikroorganismen du brauchst, die die Nährstoffe freisetzen, die deine Pflanze gesund werden lässt und wie du diese in den Boden kriegst. Also man muss ganz weit zurück, um Dinge zu verstehen. Das macht es für mich aber auch wieder so wahnsinnig faszinierend, auch wenn gerade im Moment Jakob sehr viel mehr Energie in die Recherche und das Verständnis des Bodens steckt als ich.

            „Bei uns steckt so viel Herzblut drin.“

            Siehst du in der regenerativen Landwirtschaft die Zukunft der Landwirtschaft?
            Für mich ist es der einzig richtige Weg, wenn wir unseren Kindern und Kindeskindern nicht eine Wüste hinterlassen wollen. Ich sehe ja tagtäglich hier am Hof, dass es Sinn macht und funktioniert. Wir erfinden nicht das Rad neu, es sind eigentlich ganz klassische Konzepte, die es in der Natur schon gibt. Wir müssen nur lernen uns als Landwirte wieder sehr viel tiefer mit der Materie auseinanderzusetzen. Mit der Natur arbeiten, anstatt gegen sie.
             
            Regenerative Landwirtschaft, aber vor allem auch Direktvermarktung, bedeuten für mich Wertschätzung zu steigern und Abhängigkeiten zu minimieren.
             
            Ich denke oder hoffe vor allem auch, dass es in Zukunft wieder viel mehr Kooperationen zwischen unterschiedlichen Betrieben geben wird, die sich gegenseitig ergänzen und den Kreislauf der Natur fördern. Da gibt es schon jetzt ganz tolle Konzepte. Weinbauern lassen beispielsweise Schafe oder Kühe unter den Weinreben grasen oder es wird dort Gemüse angebaut
            Wie können andere Landwirte dazu inspiriert werden, regenerative Landwirtschaft zu betreiben?
            Ich denke es braucht starke Vorbilder, die mit dem was sie tun erfolgreich sind. So sind auch wir durch den Engländer Richard Perkins auf unseren Gemüse-Weg gekommen. Solche Menschen wecken das Interesse und motivieren andere, auch etwas zu verändern und neue Wege zu gehen. Man kann sich etwas abschauen und nach Rat fragen.
             
            Ich würde es auch sehr begrüssen, wenn schon in der Ausbildung viel mehr über alternative Formen der Landwirtschaft geschult würde. Leider wird hier noch viel zu sehr in alten Strukturen gedacht und somit werden die jungen auch nicht dazu angeregt, etwas neues zu probieren. Oft sind es die Quereinsteiger, die das System durchschaut haben und mit ganz neuen Ideen und Überzeugung eine zukunftsfähige Landwirtschaft vorantreiben wollen.
          • Was müsste deiner Meinung nach an der europäischen Agrarpolitik verändert werden?
            Es ist einfach absurd, wie das System der Agrarsubventionen momentan funktioniert. Ich bin der Meinung, dass wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb nur überleben kann, wenn er Subventionen bekommt, dann funktioniert er nicht, dann läuft etwas falsch. Das System müsste komplett umstrukturiert werden. Anstatt hauptsächlich an der Flächengrösse bemessen zu werden, müsste es danach gehen, welche regenerativen Massnahmen umgesetzt werden und wie bodenschonend gewirtschaftet wird. Artenvielfalt, Tierwohl und Humusaufbau sollten Fokusthemen sein. Es wäre eine große Aufgabe der Politik, dies umzugestalten. Es ist aber extrem wichtig, dass den Landwirten nicht nur neue Vorschriften aufgebürdet werden, sondern dass sie vernünftige Unterstützung in der Übergangsphase zugesichert bekommen.

            Sollten auch die Lehrpläne der Berufsausbildung zum Landwirt verändert werden?

            Davon bin ich überzeugt. In der Landwirtschaftsschule wird hauptsächlich der konventionelle Weg gelehrt, es wird nur in Preisen gedacht und von Produkten geredet anstatt von lebendigen Tieren und dem Boden als Lebensgrundlage. Einige junge Landwirte, die zu uns an den Hof kommen, verstehen überhaupt nicht wovon ich rede, wenn ich über Bodenschonung oder Humusaufbau rede. Es wird scheinbar nicht thematisiert, dass regenerative Anbauweisen essentiell sind und wir für gesunden Boden sorgen müssen, den auch noch unsere Enkel nutzen können und der fruchtbar bleibt.
            Was ist deiner Meinung nach das grösste Problem im heutigen Ernährungssystem?
            Kommunikation! Und die Wertschätzung für unsere Lebensmittel. Bei uns im bäuerlichen Familienbetrieb wird jeden Tag gekocht. Ich bin es von klein auf so gewöhnt, dass die Familie Mittags zusammen eine Mahlzeit einnimmt. Auch meinen zweieinhalb Jahre alten Sohn erziehe ich so, er ist jeden Tag beim Kochen dabei und hat somit einen ganz anderen Zugang zu Essen. Ihn begeistert Essen und er probiert einfach alles.
             
            Die Menschen räumen sich für die Ernährung heutzutage viel zu wenig Zeit ein. Wir stopfen uns zwischendurch irgendetwas rein, da wir im Alltag von einer Sache zur anderen hetzen. Die Verbindung zu unserer Nahrung ist einfach verloren gegangen. Die Kunden kennen viele Gemüsesorten gar nicht und wissen nicht, was sie damit kochen könnten. Wenn ich ihnen im Hofladen jedoch Rezepte mit an die Hand gebe, dann kaufen sie auch Dinge, die sie vielleicht sonst nicht probiert hätten. Es fehlt leider immer noch an Ideen mit Gemüse zu kochen. Bei vielen kommt Gemüse traditionell nur als kleine Beilage mit auf den Teller, dass man sich von Gemüse mühelos als Hauptnahrung ernähren kann, glauben nur wenige. Natürlich haben viele auch einfach keine Lust auf Kochen, da es ihnen zu viel Zeit kostet.
            Aber viele Leute können es sich oft gar nicht leisten, für ihre gesamte Familie all ihre Lebensmittel im Bioladen oder Hofladen einzukaufen?
            Naja, das sehe ich nicht so. Die Prioritäten sind oftmals falsch gesetzt. Es wird viel Geld für teure Autos, Handys oder Fernseher ausgegeben, aber Nahrungsmittel müssen möglichst billig sein. Früher wurde prozentual vom Haushaltseinkommen viel mehr für Lebensmittel ausgegeben, dahin müssen wir zurück. Nahrung, die auf gesunden Böden ohne jegliche künstliche Dünger oder Spritzmittel gewachsen ist, enthält mehr Nährstoffe und ist außerdem noch viel aromatischer, als aus irgendwelchen Massen-Gewächshäusern. Ich kann damit viel Gutes für meine Gesundheit tun, das sollte es mir doch wert sein, einen vernünftigen Preis dafür zu zahlen.
             
            Außerdem finde ich, dass generell ein falsches Verständnis über die Preise von landwirtschaftlichen Produkten herrscht, sie werden viel zu billig verkauft. Der Verbraucher ist an die Dumpingpreise aus dem Supermarkt gewöhnt. Dass diese aber in keiner Weise die wahren Herstellungskosten decken und der Landwirt davon nicht leben kann, wird beim Kauf ausgeblendet. Dieses System funktioniert aktuell nur, da die Landwirtschaft subventioniert wird. Auch ein Bereich, dem sich die Politik annehmen sollte. Und auch der Konsument, schließlich entscheidet er mit seinem Einkauf mit!
          • Also ist Öffentlichkeitsarbeit der Schlüssel für ein Umdenken in der Gesellschaft?
            Es muss viel mehr Aufklärungsarbeit und Bildung zum Thema Ernährung betrieben werden, am besten schon in der Schule. Wenn die Kinder von klein auf lernen, dass es tausende von verschiedenen Gemüsesorten gibt und sie mit den eigenen Händen erfahren können, wie Gemüse angebaut wird und wie man es zubereitet, dann schätzen sie die Lebensmittel viel mehr wert. Das Wissen fehlt einfach oft. Ein Beispiel aus dem Hofladen: Unser Radicchio ist nicht klassisch lila, sondern hat aussen grünliche Blätter - wer das nicht weiss, lässt ihn links liegen und kauft ihn nicht. Sobald ich erkläre, dass er genauso gut ist, beziehungsweise noch viel besser schmeckt, nehmen sie ihn mit und erzählen mir dann beim nächsten Einkauf, dass er ihnen fantastisch geschmeckt hat.
             
            Dazu tragen natürlich die Supermärkte mit ihrem Standardsortiment bei. Sie verkaufen Massenware, es gibt nur wenige klassische Gemüsesorten und daher kennen die Kunden auch nichts anderes mehr. Das ist praktisch für die Märkte, denn sie können in riesigen Mengen einkaufen und Gewinn machen.
             
            Wir hatten am Anfang viele ausgefallene Dinge bei uns im Angebot, aber die hat einfach niemand gekauft. Es braucht dafür wirklich hartnäckige Kommunikation, um das Verständnis der Verbraucher umzupolen. Nur wenn Leute sich Zeit für die Ernährung nehmen, dann fangen sie an anders einzukaufen und Dinge zu hinterfragen.
             
            Aber es gibt zum Glück schon viele Menschen, die genau das tun. Kochen und gesundes Essen sind in den letzten Jahren wieder zu einem richtigen Trend geworden und ich bin guter Hoffnung, dass es nach und nach zu einem großen Schneeballeffekt kommt. Ich für meinen Teil stehe meinen Kunden mit Rat und Tat zur Seite und gebe mein Wissen an sie weiter.
             
            Wie meine Mutter immer sagt: kommt Zeit, kommt Rat!
          • Weitere Informationen findet ihr hier:
            • Hof des Wandels - https://www.hofdeswandels.com
            • Permakultur  - https://www.hofdeswandels.com/was-ist-permakultur
            • Richard Perkins - https://www.ridgedalepermaculture.com/about-us.html
            • Market Garden - https://diezukunftsbauern.de/regenerative-landwirtschaft/market-garden

            © 2021 | Interview und Text: Ilka Tempel | Fotografie: Alexander Tempel www.alexander-tempel.de

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