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by Ilka Tempel

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      KONTAKT
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          KONTAKT
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          • DAVID's GOASHOF

            PRAXISGESPRÄCH mit DAVID PERATHONER

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            David Perathoner hat in Lajen in Südtirol mit David’s Goashof einen Milchziegenbetrieb der Spitzenklasse aufgebaut. Der Quereinsteiger, der bis zu seinem 45. Lebensjahr nichts mit Tieren am Hut hatte und einem Job im Vertrieb einer Sportartikelfirma nachging, hat heute ein Wissen über Ziegen, ihrer Haltung und Gesundheit sowie der Herstellung von Ziegenfrischprodukten, das weit über die Grenzen seiner Heimat bekannt ist. Auf dem Bioland-zertifizierten Hof produziert er aus der Milch seiner 65 behornten deutschen Edelziegen Joghurt, Frischkäse, Desserts und Käse in Handarbeit. Tierwohl, Hygiene und Futterqualität haben in seinem Offenlaufstall höchste Priorität. Immer wieder kommen interessierte Menschen zu ihm, um von seinen Erfahrungen zu lernen und sich Tipps für die eigenen Tiere zu holen. Ich habe mit David ein ausführliches Praxisgespräch geführt.

          • „Man muss anders denken und Mut haben, 

            etwas Neues zu machen."

          • David, du warst viele Jahre im Vertrieb einer Sportartikelfirma tätig und hast parallel dazu auch noch als Testflieger für Gleitschirme gearbeitet. Mit Tieren hattest du keinerlei Erfahrung. Heute bist du Ziegenbauer und Produzent von hochwertigen Bio-Ziegenfrischprodukten. Wie kam es zu dem Wandel in deinem Leben, mit 45 Jahren ganz neu anzufangen?

            Richtig, ich hatte als Kind noch nicht einmal ein Haustier. Aber nach so vielen Jahren im Job als Vetriebler fühlte ich mich einfach nicht mehr wohl, der permanente Druck und der Fokus auf Umsatz und Planzahlen waren zermürbend. Ich wollte so nicht weitermachen und habe im Jahre 2008 von einem Tag auf den anderen die Reißleine gezogen. Was danach kommen sollte, war mir zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht genau klar, nur dass es vielleicht etwas in Richtung Landwirtschaft sein könnte. Aus einem Impuls heraus habe ich mir damals 17 Ziegen gekauft und sie erstmal einfach nur beobachtet. Die Tiere haben mich fasziniert und mich motiviert, einen Ziegenhof aufzubauen, auf dem die Gesundheit der Tiere an oberster Stelle steht. Bevor ich mit dem Bau meines Stalls begonnen habe, bin ich durch ganz Europa gereist und habe mir verschiedene Ziegenhöfe angeschaut. Von den Eigentümern habe ich wertvolle Tipps für den Bau eines idealen Ziegenstalls bekommen. Ich habe mir selbst zwei Jahre als Lern-und Probejahre gegeben, dann Anfang 2011 den Stallbau begonnen und im Juli des selben Jahres sind die ersten Ziegen eingezogen. Dieser Neuanfang war auf jeden Fall die beste Entscheidung meines Lebens.

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            Da musstest du dir aber ganz schön viel Wissen aneignen, wie hast du das gemacht?

            Ich hatte mich von Anfang an dafür entschieden einen biologischen Betrieb aufzubauen, daher habe ich mich 2008 Bioland angeschlossen und sehr viele Kurse dort besucht, hier in Südtirol aber auch im Ausland. Außerdem habe ich mir viele verschiedene Ziegenbetriebe in ganz Europa angeguckt und mir viel zeigen und erzählen lassen. Parallel dazu hatte ich ja schon ein paar Ziegen und da lernt man ja auch jeden Tag etwas. Außerdem habe ich natürlich viel Literatur über Ziegen gelesen. Ab 2011 habe ich habe ich an Milchverarbeitungskursen und -schulungen teilgenommen und im Zusammenspiel mit Fachliteratur die Produktherstellung gelernt. Zusätzlich habe ich auch noch eine Ausbildung zum Käsesommelier gemacht. Das alles war natürlich eine ganz neue Welt für mich, aber eben auch sehr spannend.
             
            Melken habe ich auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Deutschland gelernt. Als ich dann hier angefangen habe, mit der neuen Melkanlage und den Ziegen, die die Anlage auch noch nicht kannten oder noch nie gemolken wurden, war aber doch einiges nicht so leicht und erstmal ganz schön chaotisch. Aber es ging irgendwie. Man muss sich am Anfang die Zeit nehmen und ruhig an alles rangehen. Hektik und Ungeduld haben im Ziegenstall und im Melkstand nichts zu suchen, das wirkt sich nur negativ auf die Tiere und somit auch auf die Milch aus.
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            Was waren denn neben dem Melken anfangs die größten Schwierigkeiten?

            Das Pasteurisieren der Milch - wenn du die Milch dabei auch nur ein Grad zu warm oder zu kalt machst, dann findet die Pasteurisierung nicht statt und der Geschmack der Milch ist ganz anders. Um das richtig zu machen, braucht man Geduld und muss viel ausprobieren. Hier gibt es keine pauschale Formel, denn die Milch der Ziegen ist selbst innerhalb der gleichen Rasse immer verschieden, je nach Futter und Immunsystem und anderen Faktoren der Milchziegen.
             
            Außerdem hat es fast eineinhalb Jahre gebraucht, bist ich mit meinem Joghurt richtig zufrieden war, auch da habe ich viel rumexperimentiert, bis mir Geschmack und Konsistenz gefallen haben. Ich hatte zum Glück ein paar Köche und andere Gourmets in meinem Bekanntenkreis, die immer wieder getestet und mir wertvolles Feedback gegeben haben.
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            Was würdest du Menschen raten, die auch in die Ziegenhaltung einsteigen wollen?
            Es ist ganz wichtig einen zu 100 Prozent gesunden Tierbestand zu kaufen, am besten alle Ziegen aus einem Betrieb. Wenn man sich Tiere aus verschiedenen Ställen zusammenkauft, dann läuft man Gefahr, sich viele Krankheiten mit einzuschleppen. Ich hatte das Glück, dass ich einen guten Züchter aus Deutschland kennengelernt habe und von ihm meine ersten 75 Ziegen kaufen konnte. Der zusätzliche Vorteil war, dass alle Ziegen ungefähr gleich alt waren. Somit waren auch alle gleichstark und es gab keine Schwächeren, die beim Fressen von den anderen immer verdrängt wurden. Die Jüngerin sind sonst in der Rangordnung weiter unten.
             
            Ich habe mir später leider mit dem Zukauf eines Ziegenbocks Mykoplasmen in den Stall geholt, die Atemwegserkrankungen bei meinen Tieren auslösen. Ich kämpfe jetzt schon seit Jahren, um diese Bakterie loszuwerden.
             
            Man musst sich ausserdem bewußt sein, dass es ein paar Jahre braucht, bis man seine Tiere wirklich kennt und man versteht, wie sie ticken. Man muss sich die Zeit zum beobachten und kennenlernen geben, denn man sammelt wertvolle Erfahrungen mit den Tieren zusammen.
             
            Der Stallbau sollte auch sehr gut durchdacht sein, denn da können auch gravierende Fehler gemacht werden, die einem später die Arbeit erschweren.
             
            Und ganz wichtig: Man muss anders denken und Mut haben, etwas Neues zu machen.
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          • Wie ist dein Stall konzipiert?
            Die Produktion hochwertiger Milch beginnt mit dem Stallklima. Trockene Böden, sehr viel Luftaustausch, sehr helle Stallräume und gute Einstreu. Ich habe einen Offenlaufstall mit Stroh, in dem sich die Ziegen Tag und Nacht frei zwischen Drinnen und Draußen bewegen können, auch im Winter. Oftmals sind sie in der kalten Jahreszeit von alleine viel Drinnen, aber das ist ja ihre eigene Entscheidung. Die Bioland Richtlinien schreiben für Ziegen 1,5 Quadratmeter Stallfläche und 2,5 Quadratmeter Freigeländefläche pro Ziege vor. Bei mir haben die Ziegen mindestens das Dreifache. Mein Stall bietet ausreichend Platz für 160 Mutterziegen, ich habe aber bewusst nur 65 im Stall. Draußen gibt es einen Kletterturm und eine Ziegen-Wellness-Anlage mit verschieden automatischen Bürsten, an denen sich die Ziegen reinigen und massieren lassen können. Nächstes Jahr bekommen sie zusätzlich noch eine große Weidefläche hinzu, denn Auslauf im Freien ist ganz essentiell für das Tierwohl und das Wesen der Tiere.
            Warum hast du das Dreifache der nach Bioland Richtlinien vorgeschriebenen Stallfläche pro Ziege?
            In meinen Augen sind die Mindestanforderungen der Stallfläche für Ziegen nach Bioland Richtlinien nicht ausreichend, um eine Ziege artgerecht zu halten. Gegenwärtig sind pro Milchziege nur 1,5 Quadratmeter Stallfläche vorschrieben, dies müsste auf mindestens 2,5 Quadratmeter erhöht werden. Das würde zu weniger Stress, weniger Verletzungen und mehr Rangordnungsfreiheiten führen. Außerdem ist das Stallklima durch weniger Besatz viel besser. Alles Vorteile, die auf die Qualität der Milch Einfluss haben.
            Und wie sieht deine Melkanlage aus?
            Vom Offenlaufstall können die Tiere direkt in die Melkanlage geführt werden. Ich habe einen Swing over Melkstand mit zwei Reihen, in die jeweils zwölf Ziegen passen. Das Melkzeug hängt beim Swing over Prinzip mittig und wird für beide Seiten verwendet. Ich könnte in dieser Anlage 300 Ziegen am Tag melken, hier kann man höchst effizient arbeiten. Ich bin der Meinung, dass das Melken nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen darf, denn man muss es ja jeden Tag machen. Am Anfang habe ich etwas gebraucht, bis meine Handgriffe saßen und ich mit der Geschwindigkeit der Anlage zurechtgekommen bin, aber jetzt kann ich gut und stressfrei damit arbeiten. Ich habe meinen Melkstand großzügig gestaltet, damit es schnell geht und es fein zu arbeiten geht. Eine professionelle Melkanlage sorgt für einen sehr hohen Hygienestandard bei der Milchgewinnung. Je sauberer das ganze System ist, desto keimarmer ist die Milch.
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          • Die Futterqualität ist für dich von höchster Wichtigkeit. Du machst auf deinen Wiesen Heu für deine Tiere. Wie muss das Heu beschaffen sein, damit du es deinen Tieren fütterst?
            Bis vor ein paar Jahren hatte ich auch noch oben auf der Alm Wiesen, aber die waren recht umständlich zu erreichen und das Heumachen dort einfach zu arbeitsintensiv. Ich habe hier in der Nähe meines Hofes insgesamt elf Hektar Wiesen, von denen ich das Grundfutter, also das Heu, für meine Ziegen mache. Das ist recht viel Fläche - laut Tierschutzgesetz und berechnet nach Großvieheinheiten, bräuchte ich nur fünf Hektar. Mit mehr Wiesenfläche habe ich die Sicherheit, dass ich immer genug Heu einfahren kann, auch wenn es mal wetterbedingt eine schlechte Heuernte gibt. Die Qualität des Heus muss stimmen und dafür muss ich das Gras genau zum richtigen Zeitpunkt mähen und die Ernte ohne Regen einbringen. Falls das Heu doch Regen abbekommt, dann nutze ich es nicht. Ich mache pro Jahr drei Schnitte und nach jedem Schnitt lasse ich mein Heu im Labor analysieren. Eine Firma nimmt dann Proben und analysiert den Nährstoffgehalt des Futters. Danach kann ich dann genau berechnen, wieviel Kraftfutter die Ziegen als Zusatz benötigen beziehungsweise wieviel Eiweiss das Kraftfutter haben muss, damit man eine optimale Fütterung hat. Ich will ja verhindern, dass die Ziegen einen Eiweissüberschuss bekommen. Wenn das Heu richtig gut ist, dann brauche ich nur noch ganz wenig Kraftfutter dazufüttern. Da spart man dann Geld und auch aus ökologischer Sicht ist das sinnvoll, da das meiste Kraftfutter ja importiert wird. Meine Ziegen bekommen niemals Silage.
            Warum hast du dich für die Rasse deutsche Edelziegen entschieden?
            Der Milchgeschmack dieser Rasse ist sehr gut und ihre Milch hat gute Inhaltsstoffe. Das waren für mich die wichtigsten Faktoren, denn nur mit besten Geschmack der Milch kann ich gute Produkte herstellen. Die deutschen Edelziegen sind robust und widerstandsfähig und sie kommen mit dem bergigen Gelände hier im Eingang zum Grödnertal gut zurecht.
            Welche Vorteile hat es, dass deine Ziegen ihre Hörner behalten?
            Ich bin überzeugt, dass es nur Vorteile hat, den Ziegen ihre Hörner zu lassen. Die Milch behornter Tiere ist reicher an gesunden Inhaltsstoffen als die unbehornter Tiere. Die Tiere sind widerstandsfähiger und mit den Hörner haben sie einen besseren Energieaustausch mit der Sonne. Außerdem sind die Hörner ein wichtiges Pflegeinstrument für die Ziegen und sie können ihre natürlichen Rangkämpfe damit ausführen. Das sind alles nur Pluspunkte. Wenn die Ställe sehr klein sind und die Tiere eng zusammenstehen, dann kann es zu viel Stress und bösen Kämpfen kommen. Man sollte den Stall also so gestalten, dass die schwachen Ziegen Platz haben zum ausweichen haben.
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          • Wie handhabst du die Besamung deiner Ziegen?
            Ungefähr im August ist es Zeit für die Besamung meiner Ziegen. 30 Prozent werden künstlich besamt, die anderen auf natürlichem Wege von meinen Ziegenböcken. Da ich die Fruchtbarkeit nicht über zusätzliche Hormone steuere, ist jede Ziege an einem anderen Tag bereit für die Deckung beziehungsweise die Besamung. Es ist nicht möglich, dafür den Tierarzt immer zum richtigen Zeitpunkt kommen zu lassen, daher mache ich das Besamen seit einiger Zeit selber. So habe ich eine höhere Erfolgsquote. Es braucht aber viel Fingerspitzengefühl und man muss die Ziegen genau beobachten und den exakten Zeitpunkt erkennen, sonst ist der Samen verschwendet und das ist einfach zu teuer. Ich kann und will aber auch nicht alle Mutterziegen künstlich besamen lassen, das wäre zu kostspielig und sehr zeit- und arbeitsaufwendig.
            Das Frühjahr ist für dich eine ganz besondere Zeit, wenn die Kitzen geboren werden.
            Im Januar kommen die Kitze zur Welt, da habe ich dann rund um die Uhr viel zu tun, denn ich muss auch nachts schauen, ob alles in Ordnung ist. Es wurde ja schon vor dem Kitzen viel Zeit und Geld investiert, da wäre es einfach schade, wenn dem Ziegenkitz bei der Geburt oder kurz danach etwas passiert. 80 Prozent der Mutterziegen machen die ganze Geburt alleine, beim Rest muss ich manchmal etwas nachhelfen. Es ist sehr wichtig, dass die Geburt schnell abläuft und das Kitz danach zügig auf die Beine und dann zum Saufen kommt. Die Zeitspanne zwischen Geburt und dem erstem Trinken der Muttermilch ist entscheidend: Je Kürzer diese Spanne ist, und desto mehr das Kleine dann trinkt, hat Auswirkungen auf die spätere Gesundheit. Die Milch der Mutter geht normalerweise durch den Magen des Ziegenbabys. In den ersten vier Stunden nach der Geburt wird die Biestmilch jedoch direkt durch kleine Drüsen in das Blut geschickt und das baut dann durch die Immuniglobuline auch das Immunsystem der Kitze auf. Diese Drüsen gehen aber nach den ersten vier Stunden zu und dann geht die Milch nur noch durch den Magen. Es ist also extrem wichtig, dass die Geburt schnell geht. Deswegen will ich immer dabei sein und helfen, wenn es nötig ist.
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          • Wie geht es dann mit den Ziegenkitzen weiter? Nimmst du sie in deine Herde mit auf?
            Nach circa sieben Tagen separiere ich die Kitze von ihren Müttern, sie kommen in einen abgetrennten Bereich im Stall und werden mit Hilfe eines Tränkautomaten für ungefähr acht Wochen mit Milch versorgt und anschließend auf Trockenfutter umgestellt.
            Ein Teil der weiblichen Kitze bleibt in meinem Betrieb und die restlichen weiblichen Tiere verkaufe ich an andere Züchter. Die Böcke kommen zum Kleintierzuchtverband, der die Kitze dann für mich vermarktet. Die künstlich besamten Böcke verkaufe ich als Zuchtböcke.
            Und wenn die Ziegen einmal krank sind?
            Auch da mache ich vieles selber, denn über die Jahre habe ich viele Erfahrungen gesammelt und weiss meist, was ich machen muss. Wenn ich nicht sicher bin, dann kommt natürlich der Tierarzt. Ich kenne meine Ziegen und sehe sofort, wenn es ihnen nicht gut geht. Ich versuche so viel wie möglich mit homöopathischen Mitteln in den Griff zu bekommen und greife nur in Notfällen zu Antibiotika.
             
            Als ich anfangs die großen Probleme mit Mykoplasmen hatte, habe ich einen stallspezifischen Impfstoff für meine Ziegen entwickeln lassen. Der hat auch gut gewirkt, aber es war ein großer bürokratischer Aufwand, denn während der dreijährigen Testphase ist die Lizenz des testenden Labors verfallen und es hat zwei Jahre gedauert, bis das Ministerium für Gesundheit diese erneuert hatte. Somit musste ich meine Kitze dann notgedrungen antibiotisch behandeln, sonst wären sie kaputt gegangen.
            Beugst du Wurmbefall durch regelmäßige Wurmkuren vor?
            Nein, ich gebe nur gezielte Wurmkuren anhand von Kotproben. Wenn ich irgendwelche Anzeichen sehe, die darauf hinweisen, dass mein Bestand mit Würmern befallen sein könnte, zum Beispiel struppiges Fell oder schlecht durchblutet Augen, dann nehme ich von 20 Prozent der Ziegen Kotproben. Sollte sich dann rausstellen, dass alle Tiere befallen sind, dann muss ich wohl oder übel dem ganzen Bestand eine Wurmkur geben. Ansonsten bekommen nur einzelne Ziegen eine solche Kur, denn wenn ein Tier gesund ist, brauche ich nicht entwurmen. Es gibt ja leider keine nicht-chemischen Wurmkuren und man kann oftmals mehr Schaden als Gutes mit den marktüblichen Kuren anrichten.
             
            Ich habe in meiner gesamten Karriere, also in neun Jahren nur zweimal meinen gesamten Ziegenbestand entwurmt, das ist extrem wenig. Ich passe aber auch sehr auf und reagiere sofort, wenn ich Veränderungen an meinen Tieren feststelle. Die Stallfütterung ist hier ein großer Vorteil. Wenn meine Tiere immer auf der Weide wären, dann wäre es schwieriger, denn hier nimmt die Gefahr für Würmer zu. Die Zwischenwirte sitzen oft auf Gräsern, die die Ziegen fressen. Da sind dann ein gutes Weidemanagement und homöopathische Immunstärkekuren wichtig.
            Wie vermarktest du deine Ziegenprodukte?
            Ich beliefere Biogeschäfte und Lebensmittelgeschäfte hier in der Region, hauptsächlich kleine Dorfgeschäfte und Feinschmeckerläden. Ich liefere meine Produkte selber zu den Abnehmern aus, so komme ich in Kontakt mit ihnen und habe auch noch ein- bis zweimal die Woche eine gute Abwechslung zum Stallalltag. Wenn ich ausschließlich Käse produzieren würde, dann könnte ich auch direkt ab Hof verkaufen. Aber da ich hauptsächlich Frischprodukte habe, deren Haltbarkeit recht kurz ist, ist es einfach schwer planbar. Mein Hof liegt ein wenig abgelegen und da ist mir die Gefahr zu groß, dass ich auf meinen Produkten sitzenbleibe, wenn einen Tag mal weniger Kunden kommen. Durch den Vertrieb an die Geschäfte habe ich einen gewissen Rhythmus, Kontinuität und Sicherheit.
             
            Seit Kurzem arbeite ich zudem mit Gastrofresh zusammen, eine Firma, die Hotels mit frischen Molkereiprodukten sowie Fleisch- und Wurstwaren beliefert. Das hat für mich den Vorteil, dass ich nicht mehr jedes Hotel einzeln anfahren muss, sondern sie übernehmen das für mich.
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          • Was ist das Besondere an deinen Produkten?
            Der Geschmack ist das Besondere. Meine Produkte haben nicht diesen typischen Ziegengeschmack, den manche Menschen nicht mögen. Wenn die Qualität der Milch stimmt, dann stimmen auch die Produkte, die daraus entstehen. In meinem Fall Ziegenfrischmilch, Joghurt und Trinkjoghurt in verschiedenen Geschmacksrichtungen, Streichkäse, Frischkäse, Schnittkäse sowie Panna cotta, und Pudding. Mein neustes Projekt ist Blauschimmelkäse, dafür brauche ich viel Geduld und ich musste auch schon mal eine Charge wegschmeissen, weil etwas mit dem Reifeprozess schiefgelaufen war. Aber das Feedback ist durchweg positiv, sogar von den Käsekennern aus Frankreich und ich könnte viel mehr verkaufen, als ich produziere.
            Hast du denn Pläne zu expandieren, in deinen Stall würden doch locker noch ein paar Tiere mehr reinpassen?
            Nein, ich will mich auf keinen Fall vergrößern, sondern eher ab nächstes Jahr fünf Ziegen weniger melken. Ich könnte noch 100 Ziegen mehr haben, wenn es nach der Nachfrage ginge, aber meiner Meinung nach leidet die Qualität, sobald du auf Masse gehst. So wie es jetzt hier im Betrieb läuft, ist es perfekt, ich kann die Arbeit in Ruhe erledigen und mir für jede Ziege die nötige Zeit nehmen. Mich interessiert das Streben nach ständigem Wachstum nicht mehr, ich habe genug zum Leben, der Umsatz stimmt, mehr brauche ich nicht. Ich habe das Glück, dass ich für meine hochwertigen Produkte über meine Absatzwege faire Preise bekomme.
            Wie kriegen wir die Leute dazu, faire Preise für gute Nahrungsmittel zu bezahlen?
            Kommunikation! Ich denke, viele Menschen habe immer noch viel zu wenig Wissen über Themen wie Landwirtschaft, gesunde Ernährung, Klima und so weiter. Viele sagen zwar, dass sie bereit sind, für ökologisch und tierwohlgerecht produzierte Lebensmittel mehr Geld zu bezahlen. Aber wenn dann stichprobenartig getestet wird, was wirklich im Einkaufswagen landet, dann sind es doch wieder die Waren, die am günstigsten sind. Der Mensch muss einfach umdenken. In den 60er Jahren hat eine Familie in Deutschland noch circa 35 Prozent des Haushalteinkommens für Nahrungsmittel ausgegeben, heute sind es um die 12 Prozent1. Der Wohlstand und der Massenkonsum führen einfach dazu, dass die Menschen ihr Geld für andere Dinge ausgeben und Lebensmittel einen niedrigeren Stellenwert haben. Der Verbraucher muss mehr Wissen haben über die Produktionswege von Nahrungsmitteln und die Auswirkungen von Monokulturen, Pestizideinsatz und synthetischen Düngern auf die Umwelt, das Klima und somit ja auch auf den Menschen. Dann würde er automatisch hinterfragen, wie es möglich sein kann, dass eine Kilo Schweinefleisch für 3,99 Euro angeboten wird. Geht das überhaupt so billig, ohne der Umwelt zu schaden? Nein, das geht natürlich nicht, am Ende zahlt immer jemand, nämlich die gesamte Gesellschaft.
            Weitere Informationen und Quellen findet ihr hier:

            David’s Goashof: https://www.goashof.it

            1 Quelle: https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/haetten-sies-gewusst/infografiken/

             

            © 2021 | Interview und Text: Ilka Tempel | Fotografie: Alexander Tempel www.alexander-tempel.de

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          © 2023 - Einfach Machen! by Ilka Tempel

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