Nachdem wir von unserem Besuch auf der Winterkoppel zurück am Betriebsgelände sind, gehen wir hinüber zur Schlachterei, denn Christoph möchte mir die besondere Zutriebsweise zeigen, durch die es den Tieren ermöglicht wird, möglichst ohne Stress in das Gebäude zu gelangen. Die Methode stammt aus den USA und wurde von Temple Grandin1 entwickelt. Sie ist die führende US-amerikanische Spezialistin für den Entwurf von Anlagen für die kommerzielle Viehhaltung und Dozentin für Tierwissenschaften an der Colorado State University in Fort Collins, außerdem Expertin auf dem Gebiet der Verhaltensbiologie von Nutztieren.1 Das ganze sieht ein bisschen so aus wie ein Labyrinth mit gebogenen Wänden, denke ich im ersten Moment. Man hat sofort einen Drang zum weitergehen, um um die nächste Kurve gucken zu können. „Die Tiere gehen hier stressfrei durch den Gang, weil wir sie eigentlich verarschen, Sie haben durch die Ausleuchtung keine eigenen Schatten vor sich und wegen der runden Gänge haben sie das Gefühl, dass sie zur Herde zurückgehen können. Das ist hier irgendwie alles anders, als wie sie es kennen. Sie gehen selbständig weiter, wir gehen hinterher, der Gang wird schmaler und dann stehen sie auch schon direkt in der Betäubungsbox. Hier wird mittels eines Bolzenschussapparates ein betäubender Kopfschuss abgegeben. Das Tier stirbt durch die tiefe Betäubung nicht, aus der es nicht mehr aufwacht, sondern durch den Bruststich und den damit verbundenen Blutverlust.“ Das alles dauert nur wenige Sekunden, denn das Ziel ist der schnellstmögliche, stressfreie Tod. Wichtig ist es dem Landwirt auch, dass die Schlachttiere von ihren vertrauten Betreuern begleitet werden. Sie hören die Stimmen, die sie jeden Tag von der Weide kennen, die Menschen, die sie täglich füttern und sich um sie kümmern. Alles verläuft mit Ruhe und ohne Hektik. Christoph ist es wichtig, bei jeder der jährlich knapp 180 Schlachtungen persönlich dabei zu sein.
Warum gibt es nicht viel mehr Betriebe in Deutschland, die ihre eigene Schlachtung und Verarbeitungsstätten errichten und unabhängig von den Großschlachtereien agieren? „Das liegt einerseits an den horrenden Kosten für solche Anlagen, aber vor allem auch an den oftmals absurden Auflagen“, vermutet Christoph. „Kleinen Betrieben - zu denen ich mit meinen knapp 180 Schlachtungen pro Jahr gehöre - wird es besonders schwer gemacht.“ Der 40-Jährige berichtete mir nun von Mindermengenzuschlägen, die aufgeschlagen werden, wenn der Tierarzt zur Fleischbeschau von weniger als fünf Tieren auf den Hof kommen muss. Oder von der fast schieren Unmöglichkeit, Blut abholen zu lassen, da es als Sondermüll eingestuft ist und die Entsorger keine Genehmigung haben, dieses auf der Strasse zu transportieren. Die Spezialfahrzeuge hierfür lassen sich dies teuer bezahlen. Für Großschlachtereien ist das alles kein Problem, die verheizen diesen „Sondermüll“ einfach in den eigenen Biogasanlagen.